Studentenverbindungen - Lohnt sich eine Mitgliedschaft?
von Diana, 12. August 2020
Diana, 12. August 2020
Man kennt sie vor allem aus den amerikanischen Filmen und belastet mit Unmengen an Klischees - die Studentenverbindung. Doch was hat es damit wirklich auf sich? Gibt es diese Zusammenschlüsse heute überhaupt noch? Und wie sieht es in Deutschland aus? Gibt es Studentenverbindungen auch hier bei uns und lohnt es sich, Mitglied zu werden? Wir haben es für dich herausgefunden!
Studentenverbindungen in Deutschland
Insgesamt existieren in Deutschland rund 1.000 Studentenverbindungen. 85% davon sind nur männlichen Mitgliedern vorbehalten, die übrigen 15% verteilen sich auf gemischte Verbindungen und einige wenige reine Damenverbindungen. Zudem sind rund 350 aller Studentenverbindungen sogenannte schlagende Verbindungen, deren Bestandteil die Mensur ist. Was genau das heißt - dazu später mehr. Die meisten Verbindungen sind Teil von rund 30 Dachverbänden, die jeweils die Verbindungen in verschiedenen Studienorten koordinieren. Mitglied einer Studentenverbindung sind in Deutschland allerdings nur 1-2% aller Studenten.
Das macht eine Studentenverbindung aus
Studentenverbindungen setzen auf Tradition, Regeln und Prinzipien. Diese können je nach Verbindung sehr unterschiedlich sein, es gibt jedoch einige Grundlagen, die allen gemeinsam ist. Zum einen gilt in den meisten Verbindungen das sogenannte Conventsprinzip. Es besagt, dass die Verbindung basisdemokratisch geführt wird, jedoch jedes Semester mehrere Mitglieder als Vorstand gewählt werden, die dann die wesentlichen Entscheidungen treffen. Des Weiteren gilt in den meisten Studentenverbindungen das Lebensbundprinzip. Das bedeutet, die Mitgliedschaft gilt auf Lebenszeit, ganz nach dem Motto: „Einmal Mitglied, immer Mitglied“.
Auch bestimmte Abläufe und Traditionen sind vielen Studentenverbindungen gemeinsam, wie das sogenannte Kneipen. Damit sind Feiern mit vorgeschriebenem Ablauf, Reden, Gesang und natürlich Bier gemeint, die beispielsweise am Gründungstag der Verbindung oder Jubiläen der Universität abgehalten werden. Den bereits erwähnten schlagenden Studentenverbindungen ist zudem die sogenannte Mensur gemein. Die Mensur ist eine Art des akademischen Fechtens, bei dem Mitglieder mit scharfen Klingen gegeneinander kämpfen. Sollten dabei Verletzungen entstehen, wie ein sogenannter Schmiss im Gesicht, werden diese als Ehrung und Trophäe getragen und gelten untereinander als Erkennungszeichen.
Kleines Glossar der Studentenverbindungen
Sicher ist dir schon aufgefallen, dass es im Bereich der Studentenverbindungen bestimmte eigenwillige Begriffe gibt, die im Alltag anders gebraucht werden. Um der Verwirrung vorzubeugen und dir einen Einblick in das Vokabular der Verbindungen zu geben, hier ein paar wichtige Grundbegriffe:
Fuchs / Fux
Als Fuchs werden alle Anwärter auf die Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung bezeichnet. Sie sind Mitglieder in einer meist zwei Semester andauernden Probezeit. Als Fuchs haben sie weniger Rechte und müssen die Geschichte, Regeln und Abläufe der Verbindung verinnerlichen. Abschließend müssen sie die sogenannte Fuchsenprüfung bestehen. Mit dem Bestehen sind sie dann vollwertige Mitglieder auf Lebenszeit - mit allen Rechten und Pflichten.
Bursche
Wer die Fuchsenprüfung bestanden hat, ist ein vollwertiges Mitglied der Studentenverbindung und wird ab diesem Zeitpunkt als Bursche bezeichnet. Dieser Begriff gilt als geschlechtsneutral und wird daher auch für Frauen in einer Studentenverbindung genutzt. Die Bezeichnung Bursche hängt eng mit den bekannten Burschenschaften zusammen, die wie Turnerschaften, Corps oder Jagdverbindungen, eine spezielle Form der Studentenverbindung sind. Sie wird allerdings in den meisten Studentenverbindungen, unabhängig von der Spezialisierung, verwendet.
Alter Herr / Hohe Dame (auch Philister)
Mitglieder, die nicht mehr aktiv am Verbindungsleben teilnehmen, sondern sich durch Finanzierungen oder andere Tätigkeiten beteiligen, werden als sogenannte „Alte Herren“ oder auch „Hohe Damen“ bezeichnet. Sie haben das Studium beendet und sind bereits berufstätig.
Kneipschwanz
Als Kneipschwanz werden Mitglieder bezeichnet, die aus bestimmten Gründen nicht in der Studentenverbindung aufgenommen werden dürfen, aber dennoch geduldet werden. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Mitglied kein Student der Universität ist.
Couleur
Studentenverbindungen identifizieren sich meist über bestimmte Farben. Dabei werden farbentragende, farbenführende und schwarze Studentenverbindungen unterschieden. Farbentragend bedeutet, dass die Mitglieder Kleidungsstücke in den Verbindungsfarben tragen müssen, wie Mützen oder Schärpen. Farbenführend bedeutet dagegen, dass die Farben lediglich in Gegenständen, wie Wappen oder Ähnlichem, zu finden sind. Schwarze Studentenverbindungen tragen und führen dagegen keine Farben.
Vorteile einer Studentenverbindung
Stellt sich nun also die Frage, was es bringt, in so einer Studentenverbindung Mitglied zu sein. Hier die drei wesentlichsten Vorteile:
Gemeinschaft und Anschluss
Am offensichtlichsten ist wohl der Vorteil der Gemeinschaft. Das Verbindungsleben ist ein sehr aktives Leben in der Gemeinschaft. Es werden Veranstaltungen organisiert, es wird gemeinsam gelernt und gefeiert. Wenn du als Erstsemester neu in eine Stadt kommst, findest du in der Studentenverbindung direkt Anschluss.
Günstige Miete und andere Annehmlichkeiten
Auch die günstige Miete kann ein ganz praktischer Vorteil einer Mitgliedschaft sein. Viele Studentenverbindungen verfügen über eigene Verbindungshäuser, die von Alten Herren oder Hohen Damen durch deren Mitgliedsbeiträge finanziert werden. Nicht selten kann man als Mitglied dann in ein bestens ausgestattetes Haus ziehen, in dem es in manchen Fällen sogar Personal gibt.
Kontakte, Kontakte, Kontakte
Auch zum Netzwerken ist eine Studentenverbindung ideal. Du kommst in eine Gruppe von Menschen, in denen du Gleichgesinnte findest und mit denen du durch die Aktivitäten leicht in Kontakt kommst. Und auch die Kontakte zu den Alten Herren und Hohen Damen, die bereits im Berufsleben stehen und Erfahrungen haben, können dir in deinem Studium und auf deinem Karriereweg entscheidende Vorteile bringen.
Nachteile einer Studentenverbindung
Klingt super, oder? Allerdings bringt so ein Leben in einer Studentenverbindung auch Nachteile mich sich:
Regeln, Pflichten, Hierarchien
Das gesamte Leben in einer Studentenverbindung besteht aus Regeln und Strukturen. Die Veranstaltungen haben einen vordefinierten Ablaufplan, die Rangordnung unter den Mitgliedern ist festgelegt und es bestehen Pflichten, die jedes Mitglied einzuhalten hat. Darunter fallen Kleinigkeiten, wie das Tragen der Uniform, aber auch größere Verpflichtungen, wie beispielsweise die Teilnahme an der Mensur, die körperliche Verletzungen nach sich ziehen kann. Du ordnest dich mit deiner Mitgliedschaft diesen Regeln und Vorgaben unter und solltest bereit sein, diese zu erfüllen.
Lebenslängliche Erwartungen
Wie bereits erwähnt, gilt eine Mitgliedschaft ein Leben lang. Nur unter schwierigen Umständen und mit Verlusten, können diese Verbindungen verlassen werden. Hinzu kommen die Erwartungen, die an jedes Mitglied gestellt werden: Nach dem Studium sind Mitgliedsbeiträge zu zahlen, um die neuen Mitglieder, die Veranstaltungen oder das Verbindungshaus zu finanzieren. Und auch die Teilnahme an Veranstaltungen ist ein Leben lang verpflichtend.
Zeit und Energie
Das Leben in einer Studentenverbindung erfordert zudem sehr viel Zeit und Energie. Die Veranstaltungen und Aktivitäten sowie die Organisation von Verbindungstreffen nehmen sehr viel Raum in deinem Leben ein. Sie brauchen Zeit und Energie, die du neben den Lehrveranstaltungen aufbringen musst. Auch Kontakte außerhalb der Verbindung sind dadurch meist schwerer zu halten, sodass diese durchaus verloren gehen können.
Fazit: Studentenverbindungen sind Typsache
Wie du siehst, halten sich die Vor- und Nachteile der Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung die Waage. Letztendlich ist die Frage, was für dich überwiegt. Anschluss und Gleichgesinnte findet man im Studium auf viele Arten, dafür muss es vielleicht keine Studentenverbindung sein. Andererseits können andere Studenten von den Annehmlichkeiten und Vorteilen einer Verbindung oft nur träumen. Was bei dieser Entscheidung also zählt, bist du. Wäge für dich selbst ab, sprich mit Mitgliedern, verschaffe dir einen Eindruck und lass es auf dich wirken, bevor du diese endgültige Entscheidung triffst.
Zuletzt sollte ein wichtiger Punkt nicht außen vorgelassen werden: Immer wieder gibt es Vorwürfe gegen Studentenverbindungen bezüglich Rechtsextremismus, Sexismus oder Trinkzwang. Doch wie bei allen Themen sollte auch bei den Studentenverbindungen nicht pauschalisiert werden - jede Verbindung ist anders und sollte individuell beurteilt werden. Schau dir die Verbindung, die für dich in Frage kommt, also einfach selbst an und bilde dir dein eigenes Urteil.
Du bist neugierig geworden? Dann schau dir eines der folgenden Videos an! Sie geben dir einen spannenden Einblick in das Leben in einer Studentenverbindung:
CampusTVMainz: Wie lebt es sich in der Studentenverbindung? | SUB
Y-Kollektiv: Studentenverbindungen: Rituale und Traditionen
Raffi Gasser -VJ-: Studentenverbindungen und ihre Vorurteile